Winterfahrt in Oberbayern
Tiefschneefahrt im bayrischen Wald
Wer zufällig durch den tief verschneiten Wald bei Stubenbach wanderte, dem bot sich ein romantisch wirkendes Bild:
Sechs junge Mädchen in bodenlangen Röcken eilten zwischen den Bäumen geschäftig umher. Eine holte Tannengrün, zwei bauten die Kothe auf und befreiten den Boden von Schnee, zwei sammelten Feuerholz und eine brachte Steine und frisches Wasser aus dem nahegelegenen, von Eis funkelnden Bach. Das Grün wurde in der Kothe zu weichen Lagern angehäuft und ein Steinkreis und ein großer Holzstapel darinnen für ein prasselndes Feuer aufgeschichtet.
Hätte dieser Wanderer aber in die Köpfe der Mädchen blicken können, so hätte sein Bild ein paar Kratzer bekommen. Die Gedanken der Mädchen waren nämlich weniger romantisch: „Meine Füße sind Eiszapfen! Wieso sind meine Handschuhe durchweicht? Warum friert das Wasser schon beim Einfüllen in den Wassersack? Schaffen wir das alles noch vor Einbruch der Dunkelheit?“
Schließlich erwärmte das Feuer die Kothe soweit, dass wir uns gemütlich einrichten, Schnee für Nudelwasser auftauen und Abendessen zubereiten konnten. Während das Teewasser zu dampfen begann, sangen wir und genossen zwischen den Liedern die Stille und das Funkeln der Sterne über der Kothe. Je später es wurde, umso kältere Luft drang von unten in die Kothe. Das Feuer durfte nicht erlöschen. Somit blieb immer eine als Feuerwache für eine Stunde auf, wendete unsere nassen Schuhe, unsere „Reifröcke“ und Handschuhe und schützte die Schlafsäcke der anderen vor dem Funkenflug. Während dieser Wache wanderten die Gedanken noch einmal zurück:
Der Aufbruch in die verschneite Welt hinein, das Schneegestöber hinter Punding, die Müdigkeit bei Leismühl und die herzliche Aufnahme im Kloster Dietramszell. Die Nonnen boten uns ein warmes Zimmer und verwöhnten uns mit Kuchen und warmen Tee. Derart gestärkt stapften wir durch den von der Sonne funkelnden Schnee Richtung Stubenbach.
Während der letzten Wache war die Sonne über dem Wald aufgegangen und so bauten wir die Kothe wieder ab, packten zusammen, um beim Laufen wieder richtig warm zu werden. Uns war nach dieser Nacht klar, so intensiv die Erfahrung einer Nacht bei minus 19°C auch gewesen war, dass wir die kommende Nacht wieder in einem Haus verbringen wollten. Denn die Kälte und das gleißende Licht der Sonne waren zwar beeindruckend, aber auch sehr anstrengend. Nach dem herzlichen Empfang bei Dietramszell wollten wir unser Glück noch einmal in einem Kloster versuchen. So erreichten wir nach einem langen Tag ein kleines Örtchen und stiegen müde und frierend zum Kloster hinauf. Als wir in der großen Klosteranlage endlich die richtige Tür gefunden hatten, führte uns ein Mönch in eine kleine Wohnung in einem Nebengebäude und bereitete uns ein leckeres Abendessenbuffet mit kalten und warmen Speisen zu. Die anschließende Singrunde war für unsere Verhältnisse sehr kurz, da wir vom langen Tag erschöpft waren und einige sogar auf ihren Gitarren einschliefen.
Die intensive Erfahrung diesem Wetter getrotzt zu haben, der Kontrast zwischen kräftezerrenden Schneegestöber und wohltuender Wärme wird uns immer begleiten und in Erinnerung bleiben.